Experte Interview with AO. Dr. Christoph Gasche

Wer sind Sie und wo kommen Sie her?
Mein Name ist Christoph Gasche. Ich komme aus Wien und arbeite als Arzt an der Medizinischen Universität Wien sowie in einer Praxis.

 

Wie sind Sie zum Thema Darm und/oder Ernährung gekommen?
Ich bin Internist mit dem Fachbereich Gastroenterologie, also spezialisiert auf die Behandlung von Magen-Darm-Erkrankungen. Viele dieser Erkrankungen im Jahr 2024 stehen in engem Zusammenhang mit der Ernährung – und genau das hat mich zu diesem Thema geführt.

 

Woran arbeiten Sie aktuell? Können Sie es in einem leicht verständlichen Satz erklären?
Wir versuchen wissenschaftlich zu verstehen, wie es Bakterien schaffen, im Dünndarm dauerhaft zu überleben und sich dort anzusiedeln. Der Dünndarm ist voller Verdauungsenzyme aus der Bauchspeicheldrüse und Gallensäften, die Bakterien normalerweise sofort abtöten. Das ist ein Prozess, den wir erst noch vollständig entschlüsseln müssen.

 

Was ist das Wichtigste an Ihrer Arbeit, das jeder wissen sollte?
Die Kernbotschaft unserer Forschung ist, dass das Reizdarmsyndrom keine psychische Erkrankung ist und auch nicht „eingebildet“. Vielmehr handelt es sich um eine Erkrankung des Mikrobioms. Speziell am Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm finden sich Biofilme, die mit dem Reizdarmsyndrom in Verbindung stehen.

 

Was hat Sie im Bereich Darm und Ernährung überrascht?
Ich war besonders überrascht, wie lange es gedauert hat, bis jemand die Biofilme zwischen Dünn- und Dickdarm beschrieben hat. Als praktizierender Gastroenterologe habe ich bereits Anfang der 2000er Jahre darauf hingewiesen und darauf gewartet, dass meine Kollegen, die sich mit dem Reizdarmsyndrom beschäftigen, diese Biofilme untersuchen. Nachdem sich jahrelang nichts tat, habe ich schließlich selbst Forschungsprojekte initiiert, um das Thema voranzutreiben.

 

Was ist Ihr Lieblingsrezept?
Ich koche gerne einfache Gerichte. Zum Beispiel mache ich unterwegs auf meinem Schiff oft ein Risotto. Dafür brauche ich eine Zwiebel, Zucchini, eine Tasse Reis, Olivenöl, Parmesan, idealerweise etwas Suppe, und am Schluss kommt noch ein Ei darüber.

 

Haben Sie eine Lieblingsart von Ballaststoffen?
Ich mag besonders Linsen und Hülsenfrüchte. Linsen finde ich großartig, weil sie lange haltbar sind und sich geschmacklich in alle Richtungen anpassen lassen – von asiatisch bis österreichisch.

 

Eines Ihrer Forschungsgebiete ist chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Was hat gesunde Ernährung, insbesondere Ballaststoffe, damit zu tun?
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen lassen sich in Morbus Crohn und Colitis ulcerosa unterscheiden. Morbus Crohn gibt es erst seit etwa 100 Jahren, und die Krankheit wird maßgeblich von der Ernährung beeinflusst. Besonders die moderne Lebensmittelchemie spielt hier eine Rolle. Es gibt Fälle, in denen Patienten durch eine strenge Diät symptomfrei werden, insbesondere wenn sie auf verarbeitete Lebensmittel verzichten. Morbus Crohn könnte also durch diätetische Umstellungen in vielen Fällen geheilt werden.

 

Gibt es aktuelle Trends oder Mythen im Bereich der Darmgesundheit, die Sie gerne aufklären würden?
Was mich besonders stört, ist der Begriff „Leaky Gut Syndrom“. Dieser wird häufig im Internet und von Nahrungsergänzungsmittelherstellern verwendet. Er ist jedoch wissenschaftlich nicht definiert und findet sich in keinem medizinischen Lehrbuch. In Wahrheit bezieht er sich oft auf das Reizdarmsyndrom oder eine bakterielle Fehlbesiedelung des Dünndarms. Der Begriff vermittelt falsche Vorstellungen, wie etwa einen „undichten Darm“, was völliger Unsinn ist. Ich wünschte, dieser Begriff würde aus der Welt verschwinden.

 

Welche einfachen Schritte empfehlen Sie jemandem, der seine Darmgesundheit verbessern möchte?
Erstens: Selber kochen!
Zweitens: Hochwertige Zutaten verwenden – am besten Gemüse, das lokal, regional und saisonal angebaut wurde. Verwenden Sie gutes Olivenöl, achten Sie auf schonende Kochmethoden und vermeiden Sie das Frittieren.

 

Wenn Sie nur eine Botschaft über Darmgesundheit und Ernährung an die breite Öffentlichkeit senden könnten, welche wäre das?
Verzichten Sie auf verarbeitete Lebensmittel aus dem Supermarkt und essen Sie stattdessen, was auf dem Feld oder der Wiese wächst. Bereiten Sie Ihre Mahlzeiten selbst zu!

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